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Forschung und Wissenschaft

 1) Status Quo
 2) Der Mythos „Objektivität”
 3) Der Mythos der Kalkulierbarkeit
 4) Der Mythos des künstlichen Durchblicks
 5) Der Mythos der Beweiskraft

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Status Quo

Die Wissenschaft genießt noch immer den Status, nur sie sei in der Lage, irgendetwas über „die Wahrheit” herausfinden. Und es wird noch immer gemeint, die Erkenntnisse, die durch Wissenschaft gewonnen werden, seien „objektiv”, neutral, „ungetrübt” und unbeeinflusst von „nur subjektiven” Eindrücken, und (deshalb) zweifellos korrekt.

So hat die Masse der Menschen einen (unbewussten) wissenschaftlichen „Filter” in ihrem Hinterkopf: es wird nur das geglaubt, was „wissenschaftlich erwiesen” ist, und wird alles nach Lust und Laune angezweifelt, wofür es keine „wissenschaftlichen Belege” gibt. Mehr noch: es wird auch die simpelste Allerweltserkenntnis als Sensation verkauft und wird der größte Unsinn geglaubt, wenn darauf das „Gütesiegel” der Wissenschaftlichkeit prangt.

Dabei hat sich diese Wissenschaftsgläubigkeit inzwischen so verbreitet, dass nicht mehr nur die Erforschung des Weltraums, die Atomphysik oder Medizin darunter fallen, sondern dass u.v.a. auch die Beschäftigung mit dem Handel (Ökonomie) und mit dem seelischen Gemüt (Psychologie) als vermeintliche „Wissenschaften” betrieben werden - bis hinein in das Privatleben, wo an Intelligenz-, Psycho- und Partnerschaftstests (etc) geglaubt wird.

Das Ganze ist seit dem 17. Jahrhundert derart in das allgemeine Denken übergegangen, dass Leistungen wie die Mondlandung und satellitengestützte Navigationssysteme umjubelt werden, doch niemand jemals hinterfragt, warum keine Wissenschaft bisher die Probleme der Drogensucht, Kriminalität oder der „Dritten Welt” (etc) lösen konnte(?).


Der Mythos „Objektivität”

Mit der Wissenschaft untrennbar verbunden ist das Phänomen der „Objektivität”: der eigene Anspruch der Wissenschaft, sich jenseits von „nur subjektiven” Eindrücken (wie etwa Klänge, Farben, Geruch und Geschmack) auf „objektive” Erkenntnisse zu beschränken - was für die Masse der Menschen im heutigen wissenschaftsgläubigen Zeitalter gleichbedeutend ist mit Seriosität, Neutralität, Exactheit und Korrektheit.

Diese Selbstbeschränkung geht auf Galileo Galilei zurück, der anno 1632 definierte, was als „Wissenschaft” bezeichnet werden kann und darf und was nicht: nämlich nur die Beschränkung auf „objektive Fakten”, auf Kalkulierbares und Berechenbares, auf das Zerlegbare, Zählbare und Messbare, auf Mengen, Maße und Gewichte.

„Galilei bietet uns eine tote Welt: weg mit Klang, Farbe,
Geruch und Geschmack. Wir mussten die Welt in der Theorie
zerstören, bevor wir sie auch in der Realität zerstören konnten“
R. D. Laing (1927-1989)

Spätestens mit den Erkenntnissen seit Einstein ist dagegen bekannt, dass es keine „objektiven Fakten” jenseits von „nur subjektiven” Eindrücken gibt. Mehr noch: dass sogar das Trennen zwischen „Objektivität” einerseits und „Subjektivität” andererseits ein grober intellektueller Lapsus und eine Fehlentwicklung unseres Weltbildes ist.

Nichtsdestotrotz hält sich der Glaube an das Phänomen der „Objektivität” hartnäckig in den Köpfen der Masse der Menschen - vor allem, weil dieser Mythos von Experten und Medien weiterhin unablässig verbreitet wird: von Experten, die ihre Ansichten dadurch als seriös, korrekt und unzweifelhaft deklarieren wollen, und von Medien, die genau deshalb alle Nase lang irgendwelche Experten zu Wort kommen lassen, um deren vermeintlich „objektives, sicheres Wissen” zu präsentieren.

So steht die Masse der Menschen (nicht zuletzt auch: Politiker, Manager, u.v.a.) als ahnungslose Laien da, die der Gilde der Wissenschaften ausgeliefert ist. Und so glaubt die Masse der Menschen, dass es nicht nur „von Vorteil”, sondern offenbar „absolut notwendig” sei, für jede Erkenntnis, für jede Problemlösung alles „nur Subjektive” außen vor zu lassen...
...doch damit zwangsläufig eben auch: Werte wie Vertrauen, Ehrlichkeit, Fairness, Rücksichtnahme, Respekt, Toleranz und Verantwortung (etc, etc, etc), die als höchst wertvoll betrachtet werden; und steht damit vor einem ziemlich paradoxen Dilemma.

„Heute sind alle Experten mit dem Charisma von Priestern
ausgestattet. Einige dieser priesterlichen Experten nennt man
Psychiater, andere Psychologen oder Soziologen und wieder
andere Statistiker. Der Gott, dem sie dienen, spricht nicht
von Rechtschaffenheit oder Güte, von Mitleid oder Gnade,
ihr Gott spricht von Effizienz, Präzision, Objektivität“
Neil Postman (1931-2003)

Daraus resultiert das Paradoxon, dass u.a. Analytik, Rationalität, Logik und Kalkül als wichtigste, mitunter sogar einzige Qualitäten für jede Problemlösung gelten, sodass ohne „objektive” Analysen und Studien heute kaum noch eine Entscheidung getroffen wird; während gleichzeitig ein „Werteverfall” beklagt wird (u.v.a.: „fehlende Ethik und Moral unter Managern”, „Ellbogen-Gesellschaft”, „Gewalt auf Schulhöfen”, etc).

Ein eminentes Kernproblem unserer Zeit, das etliche Folgeprobleme produziert, liegt also a) in der heutigen Wissenschaftsgläubigkeit, sowie dazu b) in der künstlichen Verwissenschaftlichung von Bereichen, die de facto keine Wissenschaften sind (z.B. Ökonomie, Psychologie, Soziologie, Pädagogik, etc.):
So wird jedes Problem und jeder Lösungsansatz zunächst erst einmal durch den Filter der „Objektivität” gejagt, durch den alles „nur Subjektive” herausgefiltert wird, um dann anschließend zu beklagen, dass genau dieses „nur Subjektive” (nämlich: Werte aller Art) heute überall fehlt. Das ist extrem paradox.

Das Prinzip [ WIRKUNG! ] beinhaltet deshalb auch eine Abkehr von der Glorifizierung der Wissenschaften, insbesondere das Ende der künstlichen Verwissenschaftlichung etlicher Lebensbereiche, insbesondere durch das Bewusstsein, dass das Phänomen „Objektivität” nicht existiert und somit a) kein Experte mit der Berufung darauf einem Laien und/oder dem „gesunden Menschenverstand” überlegen ist, und b) Werte, die naturgemäß „subjektiv” sind, nicht länger als minderwertig gelten.


Der Mythos der Kalkulierbarkeit

Aus der herrschenden Wissenschaftsgläubigkeit resultiert u.v.a. auch das prekäre Folgeproblem der extremen Fixierung auf Zahlen und Daten - zwangsläufig dadurch, dass „die Sprache der Wissenschaft” die Mathematik ist, wie bereits Galileo Galilei im 17. Jahrhundert meinte: „Das Buch der Natur ist in Zahlen geschrieben”.

Eines der Folgeprobleme daraus ist, dass sich eben deshalb auch Forschungsbereiche „Wissenschaft” nennen, die keine Wissenschaft sind, sich für diese Mogelpackung jedoch genauso trickreich wie absurderweise der Mathematik bedienen. Nämlich in sämtlichen Bereichen, in denen es um das Denken und Verhalten geht, u.a. in Politik- und Wirtschafts-„Wissenschaft”, Psychologie, Soziologie, Pädagogik, etc, etc.

Ein weiteres Folgeproblem resultiert genau daraus: es hat sich die Auffassung in den Köpfen festgesetzt, dass jedes Problem und jede Lösung rein mathematischer Natur sei, also eine Frage des Ermittelns und Berechnens irgendwelcher Zahlen und Daten, kalkuliert mit irgendwelchen Formeln. Wenn dazu noch kursiert: „je mehr Zahlen und Daten, desto präziser”, scheint sämtliches Wohl und Wehe einerseits den Experten vorbehalten, die sich „damit auskennen”, sowie andererseits deren Computern, die so manche gewaltige Berechnung (auch: so manches Problem) erst ermöglichen.

Insgesamt folgt daraus (u.v.a.) eine flächendeckende Verunsicherung der Menschen gegenüber der „Welt da draußen”, sowie gegenüber sich selbst: in einer Welt, die scheinbar immer komplexer und chaotischer wird, scheint das einzige kleine bisschen Sicherheit von Wissenschaft und Experten geboten zu werden, die mit ihren Zahlen und Daten einen Durchblick versprechen, den sonst keiner mehr hat.

„Experten sind nicht dazu da, uns die Illusion von
Gewissheit zu geben. Wir müssen akzeptieren, dass wir
in einer unsicheren Welt leben“
Prof. Gerd Gigerenzer,
Direktor Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin

Das Prinzip [ WIRKUNG! ] beinhaltet u.a., sich von der Fixierung auf das „Außen” bzw. auf scheinbar von außen vorgegebene Zwänge zu lösen, die tatsächlich vor allem im jeweils eigenen Kopf stattfinden - sondern sich (deshalb) stattdessen dem Inneren zuzuwenden, das bestimmt, wie man „die Welt” wahrnimmt. Damit verbunden ist eine Abkehr davon, das Denken und Verhalten von Menschen in Zahlen fassen zu wollen, nur um Zahlen zur Verfügung zu haben, mit denen eine Berechenbarkeit suggeriert werden soll (u.a.: Wirtschaftswachstum, Umfragen, Schulnoten, „IQ”, etc, etc).


Der Mythos des künstlichen Durchblicks

Das, was das klassische wissenschaftliche Vorgehen auszeichnet, ist vor allem die Methode der Analytik: die Annahme, dass sich die Ursache eines Problems auffinden ließe, indem es gedanklich zerlegt und auseinandergenommen wird; genau so, wie man eine defekte Maschine in ihre Einzelteile zerlegt. Zusammen mit dem rein ideellen Trennen von „Objektivität” einerseits und „Subjektivität” andererseits handelt es sich dabei um das kartesianische Weltbild der „Alten Kompetenz”, anno 1619:

„Jemand, der ausschließlich nach der kartesianischen Form
funktioniert, kann zwar frei von sichtbaren Symptomen sein,
ist aber nicht als geistig gesund zu bezeichnen“
Stanislav Grof, Psychologe

Die heute noch immer glorifizierte Vorgehensweise der Analytik ist also das exacte Gegenteil des Bildens von Zusammenhängen. Das jedoch heißt: die klassischen Wissenschaften verwenden die genau falsche Denkweise für die Masse der Probleme unserer heutigen, extrem vernetzten und komplexen („globalisierten”) Welt.

„Schon die Analyse eines Ist-Zustandes ist falsch,
weil sie nur eine Wahrscheinlichkeit darstellt“
Prof. Bart Kosko, u.a. Erfinder der „Fuzzy-Logik”

Umso schlimmer, wenn aufgrund der herrschenden Wissenschaftsgläubigkeit dieses Vorgehen der Analytik als ein „Schaffen von Ein- und Durchblick” betrachtet wird, das dazu noch mit der Berufung auf eine vermeintliche „Objektivität” (siehe oben) als „zweifellos korrekt” deklariert wird. Also: ein in-sich perfektes Fehldenken, in dem die vermeintliche „Korrektheit” praktischerweise gleich mit eingebaut ist - und zwar von Experten, die sich mitten in diesem Fehldenken befinden.

Noch schlimmer jedoch, dass neben dieser suggerierten „Korrektheit” analytischer Rückschlüsse auch Problemlösungen und Vorplanungen mit exact diesem selben, kartesianisch-mechanistischen Fehldenken stattfinden, nämlich per „Wenn->Dann”- Logik auf der Grundlage des (mechanischen!) „Ursache->Wirkung”-Denkens: „Wenn wir A tun und B vermeiden, dann resultiert daraus C”, allseits bestens bekannt.

Das Prinzip [ WIRKUNG! ] beinhaltet auch a) die Abkehr von der einseitigen Dominanz der Analytik, der „Wenn->Dann”-Logik und des „Ursache->Wirkung”-Denkens, sowie damit b) auch vom Mythos des künstlichen Durchblicks, der nur auf diese Weise geschaffen werden könne. Vielmehr muss ein Denken in Zusammenhängen, sowie in Gegen- und Wechselwirkungen als mindestens gleichwertige Möglichkeiten zum Erkenntnisgewinn etabliert werden (System-, Chaos- und Komplexitätsforschung).


Der Mythos der Beweiskraft

Es wird - vor allem durch die Medien - immer wieder und immer noch der Eindruck erweckt, die Wissenschaften würden irgendetwas nachweisen und beweisen. Von Seiten der Wissenschaft und ihrer Experten wiederum wird dem natürlich nur selten (und wenn, dann nicht allzu laut) widersprochen, denn dieses Gerücht und dieser Glaubenssatz trägt schließlich gehörig zu deren Ansehen bei. Jedoch:

„Wissenschaft beweist nichts, sie sondiert“
Gregory Bateson (1904-1980)

Die Knackpunkte sind dabei (u.a.) folgende: Es werden immer wieder gern diverse wissenschaftliche Studien angeführt, die angeblich irgendetwas beweisen, doch es wird bei der Fixierung auf die Ergebnisse in aller Regel die Erklärung unterschlagen, was genau überhaupt untersucht wurde.
Ebenso gern werden irgendwelche Zahlen und Daten präsentiert, die irgendetwas beweisen sollen, ohne dass jemals erklärt wird, wie diese ganzen Zahlen und Daten überhaupt ermittelt und wie genau mittels welcher Formeln addiert, subtrahiert, dividiert und multipliziert wurden.
Ebenso gern werden empirische Untersuchungen aus irgendwelchen Versuchen und Experimenten angeführt, die angeblich irgendetwas beweisen sollen, wobei in aller Regel ungeklärt bleibt, wie der Versuchsaufbau überhaupt ausgehen hat, warum er genau so und nicht anders aufgebaut wurde, und welche theoretische Annahme dem Ganzen überhaupt zugrunde liegt.

Als zusätzliches, ebenso elegantes wie unauffälliges Mittel kommt hierbei die Rhetorik zum Einsatz, wenn wissenschaftliche Theorien nicht als Vermutungen und Annahmen formuliert werden, sondern als würde es sich um Fakten handeln: so wird immer wieder erklärt, dass das Universum durch einen „Urknall” entstanden ist – nicht „vermutlich” und nicht „könnte”, denn das widerspräche schließlich der Exactheit, Präzision und Korrektheit, die man den Wissenschaften zuschreibt.

Diese (und noch einige andere) Hintergründe werden generell unterschlagen, wenn von vermeintlichen „Beweisen” geplaudert wird, weil hierin jede Menge Stolperfallen liegen, die die Beweiskraft in Frage stellen und Experten daher lieber nicht diskutieren und/oder selbst nicht wahrhaben wollen – wobei in solchen Fällen gern auf die „Komplexität der Materie” verwiesen wird, die für Nicht-Wissenschaftler ohnehin zu kompliziert sei: man möge sich doch bitte einfach auf die Experten verlassen.

Auf diese Weise sind mittlerweile nicht nur Politiker, Manager und Otto Normalbürger sehr elegant entmündigt worden, sondern gleichzeitig auch von jeder Verantwortung für die eigenen Entscheidungen bequem befreit worden: der Verweis auf irgendwelche Analysen, Statistiken, Studien und Experten reicht dazu aus.

Das Prinzip [ WIRKUNG! ] beinhaltet auch, die Wissenschaften auf den Status einer Forschung zu relativieren, die sicherlich Erkenntnisgewinne ermöglicht, jedoch keine Beweise liefern kann. Dazu gehört u.v.a., Annahmen und Interpretationen auch als solche zu erklären, und nicht als vermeintliche „Fakten” darzustellen. Dafür wiederum ist die Abkehr vom Anspruch an eine „Objektivität” erforderlich (siehe weiter oben).


Hinweis: Es ist heute zwar üblich, jedes Thema in eine bestimmte Schublade abzulegen und das auch noch als vorteilhaft („Spezialisierung” / „Expertentum”) zu betrachten, doch genau das ist eine Auffassung nach der „Alten Kompetenz”. Auch falls Sie sich vorwiegend und hauptsächlich für Forschung und/oder Wissenschaft interessieren, widmen Sie sich bitte auch den weiteren Wirkungsfeldern, um sich ein umfassenderes Bild der größeren Zusammenhänge machen zu können. Das ist wichtig. Wirklich wichtig.

 
 
 
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