Das Buch Das Prinzip Wirkungsfelder Magazin     Mit-[ WIRKUNG! ] Begleitmaterial VIP Sektor Kontakt  
 
 
 
Bildung, Wissen und Glaube

 1) Status Quo
 2) verkorkstes Bildungsverständnis
 3) Beschränkung auf Zweck und Nutzen
 4) Mythos Information
 5) Glaube in ökonomischen Grenzen

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Status Quo

Wenn es seit ein paar Jahren ein absolutes Top-Thema mit „Dauerbrenner”-Qualität gibt, dann ist es das Thema „Bildung”, immer wieder gern auch verquickt mit den Schlagworten „Wissen” und „Information”; etwas seltener aber genauso gern mit „Kommunikation” in Verbindung gebracht, was sich jedoch vornehmlich auf technische Medien bezieht.

So leben wir heute angeblich im „Zeitalter der Bildung und des Wissens”, wohl vor allem deshalb, weil wir auch in einem „Informationszeitalter”, sowie im „Zeitalter der totalen Kommunikation” leben. Deshalb sei jeder von uns zu „lebenslangem Lernen” aufgerufen und verdonnert, und werden „Bildungsoffensiven” gegen eine „Bildungsnot” gestartet, die in „Bildungsstudien” (Stichwort: „PISA”-Studien) festgestellt wurde.

Schon lange haben Fernsehsender diesen Dauertrend mit ihren Quiz-Shows und Wissens- Dokumentationen für sich genutzt und ihn dadurch noch verstärkt, wie zudem Verlage, Internetdienste und Softwarehersteller mit „Wissensmagazinen”, „Wissensportalen” und „Wissens”-, Quiz- und Ratespielen, mit „Gehirnjogging” und „Logik-Trainern”.
Dazu gesellen sich TV-Nachrichtensender, die per Dauer-Laufschriften über die neuesten Nachrichten und Börsenkurse und Wetterlagen informieren, sowie so genannte „Gadgets” und „Apps” für Computer und
Mobiltelefone.

Gegenüber dem, was als „Bildung” und „Allgemeinbildung” erwartet und vorausgesetzt wird, ist der Glaube heute völlig an den Rand gedrängt. Etwas „nur zu glauben” reicht in Anbetracht dessen, was heute an Informationen zur Verfügung steht bzw. als „Bildung” gilt, nicht aus. Und das keineswegs nur auf einen religiösen Glauben bezogen, sondern inbegriffen darin auch der Glaube an sich selbst, Werte wie Hoffnung, Zuversicht, etc.


verkorkstes Bildungsverständnis

Das Ritual des Händeschüttelns zur Begrüßung stammt noch aus dem Mittelalter, als man sich durch das Zeigen der offenen Handflächen gegenseitig signalisierte, dass man unbewaffnet ist - was heute, im 21. Jahrhundert völlig sinnlos ist, und dennoch in aller Selbstverständlichkeit praktiziert wird.
Dem gegenüber können gerade einmal 10% der Menschen erklären, was es mit der Relativitätstheorie genauer auf sich hat, die Einstein im Jahr 1905 der Öffentlichkeit präsentierte - und das, nicht obwohl dieses Wissen vergleichsweise nagelneu ist, sondern gerade deshalb: manches benötigt Generationen, um sich zu etablieren.

Das betrifft auch die gängige Auffassung des Begriffes „Kommunikation”, sowie damit u.v.a. auch der Begriffe „Lehren” und „Lernen”. Alles das, was eben auch das Verständnis des Begriffes „Bildung” ausmacht, wird heute noch immer als eine Art und Form von Informationsübertragung von einem „Sender” zu einem „Empfänger”, also etwa von einem Lehrer zu einem Schüler verstanden: das „Sender->Empfänger”-Schema nach dem „Ursache->Wirkung”-Prinzip.

Jedoch: ein Prinzip, das aus Newtons Gesetzen der Mechanik(!) hervorging und seit dem 17. Jahrhundert über die Generationen heimlich, still und leise u.a. auch auf das Denken und Verhalten von Menschen übertragen wurde - und so setzt man noch heute in aller Selbstverständlichkeit den Menschen mit einer Maschine gleich.

„Die Massenproduktion und die allgemeine Schulbildung
haben bewirkt, dass die Stupidität heute weiter verbreitet ist,
als jemals seit Beginn der Zivilisation“
Bertrand Russell, Mathematiker, Logiker und Philosoph

Aufgrund dieses eklatanten Fehlverständnisses von u.a. „Lernen” und „Bildung” wird u.a. noch immer gemeint, Wissen sei übertragbar, eben beispielsweise von einem Lehrer auf einen Schüler, aus einem Buch auf den Leser, vom Computermonitor auf den Nutzer, von der Quiz-Show auf den Zuschauer.

Dieser noch immer allgemein verbreitete Irrtum führt zu der ebenso irrigen Ansicht, ein so „übertragenes Wissen” würde sich durch Abfragen überprüfen lassen, sodass auch der „Lernerfolg” problemlos beurteilt, bewertet und benotet werden könne; was nicht zuletzt zur heute selbstverständlichen Praxis schulischer Notengebung führte, zum vermeintlichen „Intelligenzquotienten” und „Bildungsgrad” eines Menschen, sowie zu Eignungsprüfungen aller Art, z.B. in so genannten „Assessmentcentern”, etc.

Wenn also heute permanent in Kommissionen und in Talkshows endlos über die Probleme des Bildungssystems diskutiert wird, geht das haarscharf am eigentlichen Kern der Angelegenheit vorbei. Das eigentliche Kernproblem nämlich liegt ein paar gedankliche Schritte weiter vorn: in dem noch immer herrschenden Fehlverständnis des Begriffes „Bildung”.


Beschränkung auf den Zweck und Nutzen

Die populistisch geführten Diskussionen um die Wichtigkeit der Bildung lenken sehr elegant von der Frage ab, welche Bildung eigentlich gemeint ist - wobei schon alleine diese Frage in aller Regel a) zu Verständnislosigkeit führt, b) zur Unfähigkeit, sie zu beantworten, und schließlich c) in Floskeln und Gemeinplätzen endet.

Dabei ist die Antwort äußerst einfach, jedoch ziemlich unpopulär: es ist eine Bildung gemeint, die sich ausschließlich am Zweck und Nutzen orientiert. Eine „gute Bildung” ist (nur) eine, mit der man „etwas anfangen” kann. Kindern soll sie die Chancen im späteren Berufsleben steigern, die Ausbildung soll sie spezialisieren, und jedwede Weiterbildung dient dem Karriereerfolg.
Gleichzeitig ist daran erkennbar, welche Bildung eben nicht gemeint ist: eine literarische, musische, poetische, philosophische, künstlerische Bildung, die allenfalls nette Anerkennung findet, doch vielsagend gern als „brotlos” bezeichnet wird.

„Aufstieg durch Bildung ist eine
Erfindung zur Befriedung der Massen“
Prof. Heinz-Elmar Tenorth, Bildungshistoriker

Mehr noch: als weiteres Indiz hierfür dürfen ohne weiteres auch die so genannten „PISA”-Studien gelten, von denen gemeint wird, dass sie über „den Bildungsgrad der Deutschen” informieren würden. Tatsächlich jedoch werden ausschließlich 15-jährige Schüler auf „alltags- und berufsrelevante Kenntnisse” getestet - nämlich in Mathematik, Naturwissenschaften und Leseverständnis, während demnach alles andere(!) weder alltags- noch berufsrelevant zu sein scheint.
Und noch mehr: durchgeführt werden diese Studien jährlich von der OECD, von der „Organisation für wirtschaftliche(!) Zusammenarbeit in Europa”, also letztlich aus rein ökonomischen Interessen für rein ökonomische Zwecke, und eben nicht etwa aus karitativen Gründen von z.B. UNICEF
.

So erklärt sich daraus auch die allgemeine Aufgeregtheit und die gewisse Hektik, mit der das Schul- und Bildungssystem nach dem relativ schlechten Abschneiden deutscher Schüler hinterfragt und reformiert wurde: man macht sich weit weniger (und wenn, dann nur vordergründig) Sorgen um „ungebildete Kinder” als deutlich mehr um die Zukunft der volkswirtschaftlichen Entwicklung. Wer daran tatsächlich zweifelt, darf sich den einen oder anderen Gedanken darüber machen, warum es ein „Bundesministerium für Bildung und Forschung” gibt, und das Bildungswesen nicht etwa dem Sozial- oder dem Familienministerium zugeteilt wird(?).

„Wir brauchen einen neuen Lernbegriff.
Wir müssen weg vom Bulimie-Lernen, das
nur auf Noten und die nächste Klausur zielt“
Klaus Wenzel, Präsident Lehrerinnen- und Lehrerverband Bayern

Und es erklärt sich gleichfalls, warum wider besseren heutigen Wissens noch immer an der Auffassung festgehalten wird, Bildung sei ein per „Sender-> Empfänger”-Schema „übertragenes Wissen”, das sich durch Abfragen überprüfen und somit beurteilen, bewerten und benoten ließe: nur so lassen sich Menschen und ihre Leistungen sehr zweckmäßig und nützlich miteinander (und vor allem: gegeneinander) vergleichen.

Dieser künstliche Filter der Zweckmäßigkeit und Nützlichkeit, der Menschen (bereits Kleinkinder) davon abbringt und abhält, dem natürlichen „Wissenshunger” zu folgen und Interessen frei zu entdecken, entwickeln und nachzugehen, stellt eine enorme Talentverschwendung dar, die nicht nur auf Kosten der Lebensfreude des Einzelnen geht, sondern letztlich auch der Gesellschaft und Volkswirtschaft schadet.


Der Mythos „Information”

Das Thema Bildung kam mit der Verbreitung des Internet rasant in Schwung, das die Menge der verfügbaren Informationen explodieren ließ - für jedermann zu jeder Zeit permanent abrufbereit: das so genannte „Informationszeitalter”

Indirekt dazu beigetragen hat auch die Einführung des Privatfernsehens, das zwar sicherlich weniger und selten bildungsförderlich ist, doch es genau dadurch auch ziemlich erschwert hat, in der Informationsflut etwas Sinnvolles und Relevantes zu finden - zumal dadurch für jeden (auch öffentlich-rechtlichen) Sender der „Zwang” resultierte, Informationen unterhaltsam zu präsentieren.

Insgesamt hat so nicht nur der Faktor „Information” extrem rasant an Bedeutung gewonnen, sondern das Ganze hat zudem auch klammheimlich, still und leise das Verständnis des Begriffes „Bildung” verändert:

Wurde unter „Bildung” vor einigen Jahren noch das Beherrschen grammatikalischer Regeln, der Grundrechenarten und von ein/zwei Fremdsprachen, sowie ein wenig Allgemeinbildung (u.ä.) verstanden, wird mittlerweile auch das Informiert-sein darin einbezogen, also das „up-to-date”- und „Auf-dem-neuesten-Stand-sein”. Und zwar begründet mit eben dieser heutigen Informationsflut, weshalb es früher noch reichte, die Tageszeitung gelesen und die „Tagesschau” gesehen zu haben, während heute alles mögliche sekündlich neu an Informationen geliefert werden kann, ganz gleich, was wo auf der Welt passiert, für wen oder was es eine Bedeutung hat oder nicht.

„Unsere Gesellschaft schottet Wissen in solchem Umfang,
so schnell und so sorgfältig ab wie noch keine andere
Gesellschaft in der Geschichte“
Robert B. Laughlin, Physik-Nobelpreisträger

Dabei wurde mittlerweile das bloße informiert-sein mit „gebildet”-sein gleichgesetzt, sodass inzwischen (und: weiter zunehmend) der Bildungsgrad und Wissensstand eines Menschen recht unauffällig von technologischen Informations-Medien abhängig erklärt wurde - als käme es vorwiegend auf die Quelle und das Medium an, und nur weniger bis überhaupt nicht auf den individuellen Menschen und dessen Fähigkeit, einzelne Informationen in einen größeren Zusammenhang setzen, bedeutsame von unbedeutender und wichtige von unwichtiger Information unterscheiden zu können.

Ebenso unauffällig wird dadurch „alles wichtig” (oder zumindest: als „wichtig” erklärt, wie unter vielem anderen... „die Bildung”). So, dass die Menschen zunehmend verunsichert werden und sind, weil sie immer weniger wissen(!), ob sie die richtigen Informationen haben, den richtigen Beruf, das richtige Auto, die richtige Lebensführung, etc, etc.

Diesen Effekt nennt man „bionisches Paradoxon”: Da, wo „alles wichtig” ist, ist letztlich nichts wichtig. Einer der Gründe dafür, wenn Jugendliche sich „in Scheinwelten flüchten”, wie es gern heißt, in z.B. Computerspiele, in denen sie meinen, für sich selbst und ihr Leben eher eine Bedeutung zu finden.


Glaube in ökonomischen Grenzen

Im Jahr 1919 wurde in Deutschland die Trennung von Staat und Kirche eingeführt, wonach das öffentliche Leben ohne Einflussnahme einer bestimmten Religion oder institutionellen Kirche stattfinden solle: das Prinzip des „Laizismus”.

Das Ganze hat einerseits den unschätzbaren Vorteil, dass seit dem Gerichtsurteile nicht mehr aufgrund von mystischen Gotteszeichen gefällt und Hexen nicht mehr verbrannt werden, und dass nicht mehr eine Religion oder Kirche bestimmt, wer ein „guter” und „schlechter” Mensch ist, sondern dass seit dem jeder glauben darf, was und woran er möchte; zumindest rein staatsrechtlich.
Der immense Nachteil besteht genau in dieser selben Tatsache: nämlich darin, dass der Glaube dadurch zur reinen Privatangelegenheit erklärt wurde, die jeder für sich selbst, ganz privat und innerhalb seiner vier Wände lebt - während „die Welt da draußen” irgendeine völlig andere ist, in die man sich einfügen muss.

Anders gesagt: Es wird niemand gehindert, sein Leben religiös, esoterisch oder auch spirituell zu leben, ganz wie er das möchte. Doch er kann Probleme bekommen, wenn er versucht, das „da draußen” umzusetzen; in einer Welt, die heute durch und durch ökonomisch geprägt ist. Denn: Staat und Kirche sind zwar rechtlich getrennt, Staat und Wirtschaft dagegen nicht, sondern ganz im Gegenteil.

„Heute sind alle Experten mit dem Charisma von
Priestern ausgestattet. Einige dieser priesterlichen Experten
nennt man Psychiater, andere Psychologen oder Soziologen
und wieder andere Statistiker. Der Gott, dem sie dienen,
spricht nicht von Rechtschaffenheit oder Güte,
von Mitleid oder Gnade, ihr Gott spricht von
Effizienz, Präzision, Objektivität“
Neil Postman, Medienwissenschaftler

Wer also meint, er sei in seinem Denken und Handeln niemand anderem Rechenschaft schuldig als z.B. Gott oder auch sich selbst, der darf diese Überzeugung durchaus ganz privat vertreten, außer gegenüber dem Finanzamt, das das anders sehen wird.

So ist es heute mehr oder weniger problemlos möglich, die Religion zu wechseln oder komplett aus der Kirche auszutreten. Dagegen ist es jedoch niemandem möglich, das hierzulande herrschende Wirtschaftssystem zu wechseln oder daraus auszutreten, und ist dem entsprechend gezwungen, sich in dem theoretischen Rahmen dieses Wirtschaftssystems zu bewegen, mitsamt dessen Regeln, Idealen und Grenzen.

Das heißt beispielhaft: jemand, der seine Religiosität oder Spiritualität leben will, wird zwar sicherlich nicht daran gehindert, jedem armen Teufel, dem er begegnet, einen Euro in die Hand zu drücken, wird sich das jedoch überlegen müssen, sobald sein Restgeld nicht mehr langt, um die Miete zahlen zu können. Ein Bäcker kann sicher ein paar Brote an Bedürftige verschenken, doch genauso sicher nur so viele Brote, dass ihn die Gewinneinbußen am Ende nicht seine Bäckerei kosten.

Im wahrsten Sinne prallen hier also Welten aufeinander, die sich zum Großteil kaum vereinbaren lassen. Ebenfalls beispielhaft: ein Unternehmer, der tatsächlich nur Gutes im Sinn hat, wird durch Strategie und Marketing gezwungen, die Welt („den Markt”) als „Schlachtfeld” und seine Mitmenschen (Konkurrenten/Kunden) als „Gegner” und „Feinde” zu betrachten - und das gilt heute inzwischen selbst für Ärzte, Kliniken und karitative und gemeinnützige Non-Profit-Organisationen.



Hinweis: Es ist heute zwar üblich, jedes Thema in eine bestimmte Schublade abzulegen und das auch noch als vorteilhaft („Spezialisierung” / „Expertentum”) zu betrachten, doch genau das ist eine Auffassung nach der „Alten Kompetenz”. Auch falls Sie sich vorwiegend und hauptsächlich für Bildung, Wissen und/oder Glaube interessieren, widmen Sie sich bitte auch den weiteren Wirkungsfeldern, um sich ein umfassenderes Bild der größeren Zusammenhänge machen zu können. Das ist wichtig. Wirklich wichtig.

 

 
 
 
Sitemap Impressum Kontakt VIP Sektor  
YouTube Facebook
|  ©1992-2012 Cerny: Alle Rechte vorbehalten