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Service-Falle: Orientierungslos am Kunden vorbei.



 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Das Schlagwort der „Servicewüste Deutschland“ kann eigentlich niemand mehr hören. Weder Kunden, noch Unternehmen. Es hat sich ohnehin mittlerweile als das entpuppt, wozu es erfunden wurde: um mit Kundenservice Geschäfte zu machen. Dafür nimmt man schon einmal ein paar Kollateralschäden in Kauf.

Wie war das noch: Hat ein Unternehmen 100 unzufriedene Kunden, kann es davon ungefähr 30 verlieren. Besonders dumm daran: Kunden sprechen nur ungern darüber, sondern behalten schlechte Erfahrungen für sich: Gerade einmal etwa 5% teilen ihre Unzufriedenheit dem Unternehmen mit.
Noch schlimmer: Um die 30% sprechen lieber mit Familie, Freunden, Bekannten und Arbeitskollegen über ihr Negativ-Erlebnis, die die Geschichte wiederum noch etwas ausgeschmückt und dramatisiert weitererzählen. Mundpropaganda der doppelt verheerenden Art.

Das sind Zahlen, die sich seit mindestens 15 Jahren kaum verändert haben. Obwohl sich seit damals etliche Berater auf dieses Thema gestürzt haben, um mit diesen Zahlen im Gepäck den Unternehmen Konzepte für eine „optimierte Kundenorientierung“ zu verkaufen. Vielleicht auch: nicht obwohl, sondern gerade deshalb.

Der Versuch einer Bewässerung der „Servicewüste“

Um nur ein Beispiel zu nennen: Entstanden aus diesem Trara um die Service-Optimierung ist etwa die an Genialität grenzende Idee, den Kunden einen telefonischen „Heißen Draht“ nach dem Motto „Wir sind immer für Sie da“ anzubieten. Wie genial diese Idee war, konnte damals hochwahrscheinlich noch niemand absehen.

Aus der Idee resultierte natürlich die Frage, wie das überhaupt organisiert werden könne. Die damals hochmoderne ISDN-Technik in Verbindung mit den noch relativ neuen EDV-Arbeitsplätzen machte es möglich: Anrufe wurden an irgendeinen freien Apparat weitergeleitet, zur Not auch auf das private Telefon von Mitabeitern, die bei sich zuhause dafür ein „Home Office“ eingerichtet bekamen.

Da sich „die Kunden“ allerdings ziemlich schnell an diesen traumhaft neuen Service der Unternehmen gewöhnten, konnte die Menge der Anrufe schon bald kaum noch bewältigt werden: Die Anrufer landeten immer öfter und länger in Warteschleifen, was wiederum dem Servicegedanken widerspricht.
Das war die Geburtsstunde der so genannten „Call Center“, die den Unternehmen die Auslagerung des ganzen Aufwandes anboten. Mit solchem Erfolg, dass heute rund 400.000 Menschen in circa 5.600 „Call Centern“ jobben.

Genial ist diese Idee aus mehrfachen Gründen: Mitsamt dem Service-Genuss für den Kunden, rund um die Uhr an 365 Tagen (wenn er möchte auch um 02h00 nachts an Heiligabend) Bestellungen aufgeben zu können, kommt auch der Anbieter in den Genuss, rund um die Uhr an 365 Tagen verkaufen und Umsatz machen zu können. Gleichzeitig wurde der eigene organisatorische Aufwand ausgelagert, inzwischen circa 5.600 „Call Center“ zahlen jede Menge Steuern und haben um die 400.000 (zumindest: Teilzeit-)Arbeitsplätze geschaffen. So weit also: fast schon genial.

Statt Wüsten-Bewässerung: Viele, viele Zelte aufgebaut

Jedoch: Genialität und Wahnsinn liegt eben dicht beieinander. Diese Service-Idee führte irgendwann zu einer weiteren: Bestell-Hotlines, über die gutes Geld verdient wird, bleiben für die Kunden kostenfrei, Anrufe wegen dummer Rückfragen oder sogar frecher Reklamationen dagegen kosten Geld.
Auf diese Weise kann ein Anbieter an den Problemen seiner Kunden auch noch richtig gut zu verdienen. Wenn Kunden also hier und da ratlos im Informations-Regen stehengelassen und Reklamationen nicht wirklich ernsthaft bearbeitet werden und Kunden daher mehrfach die kostenpflichtige Hotline anrufen müssen: umso besser.

An dieser Stelle beginnt es nicht nur mit dem Servicegedanken knifflig zu werden, sondern solch lukrative Ideen haben die Tendenz, in variierter Form auf alles mögliche angewendet zu werden.
Das wiederum begann (übrigens schon vor dem Service-Trend) im Grunde mit den „SB“-Tankstellen. Die Grundidee „Warum lassen wir die Leute eigentlich nicht selber tanken?“ sparte den Tankstellen-Betreibern mitsamt zahlreichem Personal auch die dazugehörigen Kosten.

Verkauft wurde das Ganze als „Service“: Warum lange warten, bis der Tankwart mit dem Putzen der Windschutzscheibe irgendeines Wagens endlich fertig ist? Einfach selbst tanken, das geht schneller.
Noch heute prangen hier und da „SB“-Schriftzüge, die an diese Aktion erinnern und auf Grund der inzwischen „selbstverständlichen“ Selbstbetankung eher amüsant erscheinen. Mehr noch: Nach einem Test in Hamburg hat eine Tankstellenkette den „Tankwart in Bedienung“ vorerst an 1.000 Tankstellen in Deutschland gegen den Aufpreis von 1,- Euro wieder eingeführt, was als kleine Sensation gefeiert wurde.

Geschäftsklima: Die Wüstenausbreitung

Apropos „Selbstbedienung“: Das „Selbermachen“ wird nahezu inflationär als „Service“ deklariert. So gehört der Kunde heute in immer mehr Bereichen fast schon zur Belegschaft. Alles mögliche, das ihm früher als Arbeit abgenommen wurde, darf er heute als großzügigen „Service“ selbst erledigen. Das wiederum begann mit Möbeln, die früher „selbstverständlich“ in Form von Möbeln angeliefert und dort aufgestellt wurden, wo der Käufer sie gern haben wollte. Heute ist das allesamt: „Service“ - von der Lieferung bis zur Endmontage: gegen Aufpreis.

Der noch relativ neue elektronische „Selbst-Check-in“ an Flughäfen übrigens wird ebenfalls als „Service“ deklariert. Schätzungsweise noch maximal drei Jahre lang. Bis er dann eine „Selbstverständlichkeit“ sein wird, wie in fünf Jahren der „Check-in“ per Augen-Scan, noch bequemer, noch zeitsparender.

Mit hellseherischer Sicherheit wird auch die in Bälde zu erwartende flächendeckende Einführung des „RFID”-Chips für Produkte aller Art dem Kunden als „Service“ verkauft werden:
Nie mehr an der Supermarktkasse Schlange stehen und kostbare Zeit beim Bezahlvorgang mit der Kassiererin vergeuden. Den Einkaufswagen einfach durch die „Bezahlzone“ schieben, wo die Chips ausgelesen werden, der Betrag wird automatisch vom Konto abgebucht. Ein „Service“ dummerweise auf Kosten der -zig Tausend dann leider arbeitslosen Kassiererinnen. Unter anderem.

 

 
 
 
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