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Regelmäßig verlaufen: Im Jammertal des Marketing.



 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Das „Zielen+Treffen“ (auf Menschen!) ist das Grundprinzip des Marketing. Deshalb wird permanent an diesem „besseren Zielen“ gebastelt; in der Hoffnung „gezielter zu treffen“. Und zwar: auf „Zielgruppen“, die allenfalls nur in der Phantasie und auf Papier existieren.

Die Definition und Beschreibung der „Zielgruppe“ ist mit das erste, was in jeder Marketing-Konzeption passiert. Eine Selbstverständlichkeit, die sehr erfolgreich vom Wesentlichen ablenkt: nämlich von der grundsätzlichen Idee, die eigentlich dahinter steckt und damit verfolgt wird.

Der Punkt ist: wie man denkt, so handelt man; und wie man handelt, so sehen dann auch die Ergebnisse aus. Wer deshalb tatsächlich und ohne jedes eigene Hinterfragen daran glaubt, es gäbe so etwas wie „Zielgruppen“, der beschäftigt sich gar nicht erst mit der hochgradig seltsamen und obskuren Idee, die dem Ganzen zugrunde liegt.
Mehr noch: Die Verfechter dieses Vorgehens wollen sich auch in keiner Weise mit solchen Fragen beschäftigen, die am Fundament des Marketing rütteln – mit der Begründung, man hätte „keine Zeit für solche theoretischen Überlegungen“. Man läuft dann lieber sehr praktisch weiter in seinem Hamsterrad herum.

Das „Zielgruppen”-Denken:
Blanke Theorie ohne Realität

Die Verfahrensweise läuft dabei folgendermaßen ab: Weil es im Marketing „so üblich ist“ und im Marketing „eben so gemacht wird“, definiert man sich (s)eine „Zielgruppe“. Und weil man das möglichst richtig und erfolgreich machen will, verwendet man dazu alle Informationen, die man überhaupt nur bekommen kann: geographische, psychographische, soziodemographische. Beispielsweise.

Damit ist man dann dermaßen beschäftigt, dass die Frage nach dem Sinn und der Relevanz des Ganzen (also: abgesehen vom reinen Zweck dieser Vorgehensweise) gar nicht erst in den Kopf kommt. Auf diese Weise produziert man sich gleichzeitig eine Masse von Folge-Problemen, weil man von da an nichts mehr „einfach nur tun“ darf, sondern alles mögliche „zielgruppen-gerecht“ sein muss.

Dass es sich dabei lediglich um ein theoretisches Konstrukt handelt, das man sich am Schreibtisch zusammengebastelt hat (auch wenn man noch so „gute Gründe“ dafür haben mag), wird in aller Regel vehement bestritten. Im Gegenteil: Man besteht darauf, dass das Phänomen der „Zielgruppen“ tatsächlich existiert – weil man sich welche zusammenbasteln kann. Eine tautologische Meisterleistung.

In Worte verpackt und verargumentiert beruft man sich bei diesem Vorgehen darauf, dass man Menschen schließlich anhand diverser Gemeinsamkeiten in Gruppen zusammenfassen könne. Das ist zwar durchaus korrekt. Doch was man so alles theoretisch tun kann und was so alles möglich ist, hat nicht immer etwas damit zu tun, dass es deshalb auch sinnvoll wäre.

Ein Hauptproblem der Einteilung und Zuteilung von Menschen in irgendwelche willkürliche Gruppen besteht eben genau darin, dass dafür die gemeinsamen Eigenschaften verschiedener Menschen herhalten müssen, bzw. das, was man dafür hält. Wie der Soziologe Gerhard Schulze (u.a.: „Die Erlebnisgesellschaft“) festgestellt hat: „Gemeinsamkeiten beruhen immer auf Wiederholungen. Nur Regelmäßigkeiten können Menschen von einander abschauen”.

Kurzschluss im Marketing:
Willkürliche Gruppenformung

Im Marketing fällt man auf den Kurzschluss herein, Regelmäßigkeiten fahrlässig mit Zielbarkeiten zu verwechseln und gleichzusetzen. Auf diese Weise landet man zwangsläufig in extremsten Banalitäten, die darin enden, dass die „Zielgruppen“ regelmäßig atmen, regelmäßig essen und schlafen. Denn…

In unserer Zeit der „multiplen Lebensstile” haben Menschen immer weniger Gemeinsamkeiten: Die nie dagewesene Masse an Büchern, Fach- und Spartenmagazinen, Fernsehkanälen (etc.) hat dafür gesorgt, dass kaum zwei Nachbarn noch dieselben Bücher lesen oder dieselben Fernsehsendungen sehen.

Diese Zersplitterung („Fragmentierung“ genannt) betrifft heute nahezu sämtliche Lebensbereiche: Es gibt alleine 200 Sorten Pulverkaffee, die Firma Nestlé alleine hat über 15.000 Produkte im Sortiment. Die Firma „D&W” wiederum bietet über 250.000 Zubehörteile an, um sein Auto „aufzumotzen” und dadurch individuell zu gestalten. Dazu unzählige, verschiedenste Variationen von Bieren, Joghurts und Marmeladen. Und es dürfte schwierig werden, zwei Menschen zu finden, die dieselben Programme auf ihrem Computer installiert haben, geschweige denn dieselben Internetseiten regelmäßig besuchen.

Wie der Soziologe Hermann Lübbe feststellt, lebt ein Mensch heute nur noch in derselben Zeit, wie „irgendwelche andere Menschen“; aber nicht mehr, wie „die Gesellschaft“ insgesamt. Und das unter anderem noch dazu verbunden mit einer ungeheuren, bisher nie dagewesenen Rasanz von Veränderungen: Jeder Mensch kann innerhalb von zwei/drei Sekunden mit einem einzigen Mausklick auf eine für ihn völlig neue Information stoßen, eine völlig neue Erfahrung machen, die sein gesamtes bisheriges Denken und Verhalten auf den Kopf stellt. Von jetzt auf gleich. Jeden Augenblick.

Über die Methodik gestolpert:
Heidenaufwand ohne Sinn

Im Grunde müsste man also mit mehreren -zig Tausend verschiedenen „Gruppen“ und „Typen“ hantieren, um eine annähernd realistische Basis zu haben – was das Ganze wiederum ad absurdum führen würde, weil man mit dem Definieren von „Gruppen“ die herrschende Komplexität gerade eben überschaubar machen will.

Selbst wenn man mit mehreren -zig Tausend „Gruppen“ und „Typen“ arbeiten würde: Bei der heutigen enormen Rasanz der Veränderungen ist jede „Zielgruppen“-Analyse schon im Augenblick der Analyse hoffnungslos überholt.
Bis diese Analysen durchgeführt, ausgewertet, in neue Konzepte eingeflossen sind, und schließlich dann die Maßnahmen geplant werden und irgendwann umgesetzt sind, ist im Zeitalter der Datenautobahn eine halbe Ewigkeit vergangen.

Bei einer solchen Ist-Lage anhand von vermeintlichen Regelmäßigkeiten noch so etwas wie annähernd stabile „Zielgruppen“ erkennen, definieren, und geschweige denn damit auch noch arbeiten zu wollen, grenzt da schon an waghalsige Naivität.

 

 
 
 
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