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Ins Abseits gelaufen: Armut im Reichtum.



 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

„Wer keine Arbeit hat und seinen Lebensunterhalt nicht finanzieren kann, ist selbst schuld“. Ein Stammtisch-Spruch, der ziemlich weit von der Realität entfernt ist. Mitunter nämlich reichen nicht einmal zwei oder mehr Jobs, um sich finanziell über Wasser zu halten.

Sprüche wie „Wer wirklich arbeiten will, der findet auch Arbeit“ und „Wer Schulden hat, hat sich das selbst zuzuschreiben“ können nur von Menschen stammen, die bisher noch nicht selbst in eine echte Bedrängnis geschlittert sind. Man möchte ihnen sagen: „Toi, toi, toi“.
Dieselben Menschen, die jetzt vielleicht noch ihren Rotwein vor dem Karminfeuer genießen, könnten das schon morgen früh etwas anders sehen: Wenn ihre Hausbank den Baukredit ohne jede Vorwarnung, unvereinbart, aber völlig legal an einen Finanzinvestor abgetreten hat, der dann vollabsichtlich unerfüllbare Forderungen an den Noch-Hausbesitzer stellt

Hinten und vorne nicht: Wenn das Geld nicht reicht

Etwa 1,3 Millionen Menschen sind in Deutschland auf staatliche Unterstützung angewiesen. Und das, obwohl sie einer geregelten und sozialversicherten Arbeit nachgehen. Deren Einkommen reicht schlicht und einfach nicht aus, um den Lebensunterhalt zu decken.
Um die 6 Millionen Vollzeit-Arbeitnehmer wiederum haben sich einen zusätzlichen Nebenjob zugelegt, um sich irgendwie über Wasser halten zu können. Das sind Nebenjobs im Bereich der Gebäudereinigung, im Gesundheitswesen, in Restaurants, Hotels und im Einzehandel. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit sind 90% davon Deutsche, die meisten über 40 Jahre alt. Immer öfter handelt es sich um Senioren, deren Rente nicht ausreicht, um ihren Lebensabend zu finanzieren, damit gemeint: Mietzahlungen und Lebenshaltung.

Apropos „Lebensabend“: Der Rentenexperte Bert Rürup geht davon aus, dass dadurch die Altersarmut spätestens in 15 Jahren zu einem ernsten Problem werden wird. Also: Menschen betreffend, die ihr Leben lang gearbeitet und ununterbrochen in das Sozialsystem eingezahlt haben und nun mit 80% des „Hartz IV”-Regelsatz auskommen müssen: rund 290,- Euro monatlich.

Damit nicht genug: Jedes sechste Kind in Deutschland lebt deshalb in Armut. Mehr als 2,5 Millionen Kinder leiden darunter, dass ihre Eltern das Geld für Lebensmittel, Kleidung, Spiel- und Schulsachen nicht aufbringen können. Diesen Kindern werden im so genannten „Hartz IV“-Regelsatz zwischen 215,- und 287,- Euro monatlich zugestanden: Für Schulmaterial zum Beispiel 1,76 Euro, für Spielzeug 1,56 Euro. Monatlich!
Wobei übrigens das Kindergeld, das auch Millionäre zusätzlich erhalten, „Hartz IV”-Empfängern dagegen angerechnet wird. Im Jahr 2009 führte die Bundesregierung immerhin eine Einmal-Zahlung von 100,- Euro zu Beginn eines Schuljahres ein, damit bedürftige Eltern ihren Kindern zumindest Hefte und Stifte kaufen können.

Die Folgen für die betroffenen Kinder reichen von Bildungsrückstand über soziale Ausgrenzung bis zu eklatanter Mangelernährung. Und das: mitten in Deutschland. Per „Hartz IV“ stehen etwa einem 15-jährigen Kind gerade 3,42 Euro pro Tag für Lebensmittel zu – mindestens 4,68 Euro müssten es jedoch laut dem Forschungsinstitut für Kinderernährung für eine gesunde Ernährung sein.

Mehr noch: Ende 2011 meinte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Wolfram Hartmann, anlässlich des Welternährungstages „Man kann davon ausgehen, dass etwa 500.000 Kinder in Deutschland regelmäßig nicht ausreichend ernährt werden und immer wieder Hunger leiden”. Mitten in Deutschland.

Auch damit nicht genug: Diese Kinder verlieren jede Hoffnung. Nach einer vom christlichen Hilfswerk „Worldvision“ initiierten Befragung sehen in Armut aufwachsende Kinder besonders schlechte Chancen für ihre Zukunft, fühlen sich abgeschrieben und sind dem entsprechend motivationslos: 88% davon verbringen ihre Zeit vornehmlich vor dem Fernseher.

Kinderarbeit in Deutschland:
Überlebenskampf im Reichtum

Kinderarbeit wird von der Politik angeprangert – wenn sie (zum Beispiel) in Asien stattfindet. Die Kinderarbeit in Deutschland wird dagegen ignoriert und totgeschwiegen: Ein Drittel der Mittel- und Oberstufenschüler jobbt regelmäßig, 18% der 14-jährigen und 50% der Abiturienten, davon wiederum ein Drittel geht sogar gleich mehreren Jobs nach: Kellnern in der Discothek, Kassieren an der Tankstelle, Zeitungaustragen, Webdesign. Wer nicht regelmäßig jobbt, versucht es mit gelegentlichem Babysitten oder Aushilfsputzen: etwa 80% der Schüler haben Erfahrungen mit einer bezahlten Tätigkeit nach Schulschluss.

Die Gründe dafür: soziales oder faktisches Überleben. Es gilt einerseits „mithalten“ zu können, das neueste Mobiltelefon mit den angesagten Klingeltönen zu finanzieren, die „richtige“ Jeans zu tragen und pünktlich zum 16. Geburtstag den Motorroller zu besitzen. Zum anderen ist es die pure Armut der Eltern, wenn Kinder gezwungen sind, die Haushaltskasse aufzubessern. Armes Deutschland.

 

 

 
 
 
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