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„Objektivität”: Wenn der Mensch zum Ding wird.



 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Wo man auch hinsieht: Es wimmelt von angeblich „objektiven Zahlen, Daten und Fakten“, und wer etwas sagen möchte, möge „doch bitte objektiv bleiben“. Das „Gütesiegel Objektivität“ erweckt den Anschein, von „nur subjektiven“ Eindrücken frei und „ungetrübt“ zu sein. Doch wer daran glaubt, wird zum Opfer einer Mogelpackung.

Der Begriff „Objektivität“ wird heute generell gleichgesetzt mit „Neutralität“ und „Seriosität“: Wer eine „objektive Aussage“ macht, der spricht über Erwiesenes und Bewiesenes und nicht über „nur subjektive“ Ansichten und Meinungen. Meint die Masse der Menschen.
Und weil das die Masse der Menschen glaubt, wird mit dieser Fehldeutung heftigster Schindluder betrieben: von „objektiven Umfrage-Ergebnissen“ über „objektive Studien und Analysen“ bis zu „objektiven Experten-Ratschlägen“ reicht die Palette. Und die Masse der Menschen glaubt das – weil sie eine Fehldeutung im Kopf hat.

Wissenschaftlich-objektiv an der Nase herumgeführt

Und auch das: Die Folge-Erscheinung eines mittelalterlichen Denkens, populär gemacht anno 1619 von René Descartes: Das gedankliche Trennen zwischen Subjekt(ivität) und Objekt(ivität). Das Trennen zwischen belebten Subjekten einerseits und toten Objekten andererseits. So sah Descartes die Welt. Und so wird sie – für gewöhnlich und wider besseren Wissens – noch heute betrachtet.

Auf dem Fundament dieses Weltbildes stellte ein gewisser Galileo Galilei im Jahr 1632 die Definition dafür auf, was Wissenschaft ist und was nicht. Demnach muss Wissenschaft „objektiv“ bleiben, weshalb sämtliche „nur subjektiven“ Eindrücke wie Geschmack, Klang, Farbe und Geruch außen vor zu bleiben hätten; Descartes lässt grüßen. Dazu hat sich Wissenschaft – nach Galilei – auf das Mathematisierbare, das Zählbare, Berechenbare, Kalkulierbare zu beschränken.

Nun ist menschliches Denken und Verhalten jedoch weder zählbar noch berechenbar. Und deshalb hat sich irgendwann ein genialer Taschenspieler-Trick etabliert, um die Beschäftigung mit Menschen dennoch „wissenschaftlich“ und „objektiv“ erscheinen zu lassen: Um Galileis Forderung der Mathematisierbarkeit zu erfüllen, ist man irgendwann dazu übergangen, das Denken und Verhalten von Menschen zu... zählen! Das klingt genau so absurd, wie es ist.

Doch genau auf diesen Trick fällt die Masse der Menschen bei jeder Meinungsumfrage, bei jedem Intelligenz- und Einstellungstest, bei jeder einzigen Schulnote, jeder Analyse, Studie und Statistik herein: Es wird (zum Beispiel) das „Nein“ eines Menschen in eine „Null“ und das „Ja“ in eine „Eins“ verpackt, schon kann prima mathematisch gearbeitet und das Ganze als „wissenschaftlich“ und „objektiv“ deklariert und als „neutral“ und „seriös“ verpackt werden.

Analysen, Studien, Statistiken:
Das moderne Lesen im Kaffeesatz

Dadurch wurde Galileis Definition mittlerweile dermaßen zurechtgebogen, dass heute sogar angeblich „wissenschaftlich“ und „objektiv“ über ganz und gar „nur Subjektives“ geurteilt wird: über Klänge, Farben, Gerüche und Geschmäcker, über Meinungen, Charaktere und Fähigkeiten, zum Beispiel. Und kaum jemandem fällt das auf.

Mehr noch: Es will auch eigentlich kaum jemand wirklich wissen. In einer Welt voller Unsicherheiten, Unwägbarkeiten und Ungewissheiten – gerade eben auch, wenn es um Menschen geht – sind angeblich „objektive“ Feststellungen etwas, das einem das Gefühl von (zumindest: größerer) Sicherheit, Kalkulierbarkeit und Gewissheit gibt. Und so glaubt man lieber an etwas völlig Absurdes von der Aussagekraft einer Kristallkugel und eines Kaffeesatzes.

Die prekären Folgen gehen meilenweit darüber hinaus, dass hierbei der Mensch „zu einem Ding gemacht“ werden muss; von einem subjektiven Wesen zu einem Objekt zwangsmutiert wird, gleichgesetzt mit Blumentöpfen, Dosenöffnern und Leergutautomaten. Und die prekären Folgen gehen noch einige Meilen weiter darüber hinaus, dass menschliche Schicksale und Bedürfnisse zu so genannten „bedauerlichen Einzelfällen“ mit Ausnahmecharakter werden, um die man sich deshalb nicht sonderlich kümmern müsse.

Und die prekären Folgen gehen noch etliche Meilen weiter darüber hinaus, dass irgendwelchen Experten, die von angeblich „objektiven Zahlen, Daten und Fakten“ sprechen, mehr geglaubt(!) wird, als dem „gesunden Menschenverstand“, und heute ohne angeblich „objektive Analysen und Studien“ kaum noch eine Entscheidung getroffen wird. Das alles: auf sämtlichen Ebenen des Lebens.

 

 
 
 
 
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