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Fehler im Betriebssystem:
Das Gehirn ist kein Computer.



 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Im Jahr 2004 veröffentlichten renommierte Gehirnforscher ein Manifest, um mit dem hartnäckigen Gerücht aufzuräumen, das Gehirn würde im Prinzip wie ein Computer funktionieren. Dennoch wird weiterhin an diesem Fehldenken festgehalten – weil es so schön praktikabel und einträglich ist.

Die Verbreitung des Computers bis zu der heutigen Gebrauchs-, Spiel- und Bastelmaschine hat mittlerweile dafür gesorgt, dass Begriffe aus dem computertechnischen Universum in alltägliche Redewendungen eingeflossen sind.
So wird etwa davon gesprochen, man hätte etwas „nicht auf seiner Festplatte gespeichert“, wenn man sich nicht erinnern kann. Oder man sei mit einem Menschen oder Thema „(nicht) kompatibel“.
Der Computer dient hier nicht zufällig als Metapher für das Gehirn, sondern die Masse der Menschen glaubt tatsächlich, das Gehirn würde genau so, zumindest ähnlich „funktionieren“, wie ein Computer: mittels dem Abspeichern und Abrufen von Informatioen.

Bruzzeln in der Gerüchteküche: Hauptsache, es schmeckt

Es gibt einfach Gerüchte, die sich hartnäckig in den Überzeugungen der Menschen festsetzen, dem heutigen „Informationszeitalter“ und sämtlichen Möglichkeiten des „Wissens auf Abruf“ zum Trotz.
Wie etwa, dass „Platzangst“ angeblich die Furcht vor beklemmender Enge (zum Beispiel: in Aufzügen oder Menschenmassen) sei – obwohl per Mausklick schnell zu erfahren wäre, dass als „Platzangst“ die Furcht vor dem Überqueren großer, freier Plätze bezeichnet wird.
Oder auch dass im Rahmen irgendeiner Katastrophe „Menschen evakuiert werden“, wie nicht selten sogar von Berufs-Journalisten in Medien berichtet wird – obwohl eine „Evakuierung“ eine „Ausleerung“ ist, und somit allenfalls Gebäude evakuiert werden, jedoch hoffentlich nicht die Bewohner.

Der Computer als Metapher zum Gehirn liegt jedoch dabei natürlich nahe, wenn das Lernen, wenn Erfahrungen und Erinnerungen quasi als „Informationseinheiten“ und „Datensätze“ aufgefasst werden. Dann (doch eben auch nur dann) kann man der Überzeugung sein und kann es duchaus plausibel klingen, das Gehirn würde diese „Informationen“ und „Daten“ irgendwie abspeichern und bei Bedarf wieder abrufen. Eben: ganz wie ein Computer.

Umso bedauerlicher, dass diese eklatante Fehleinschätzung auch von Medien nachdrücklich verbreitet wird. Ebenso bedauerlich, jedoch nicht wirklich verwunderlich, dass eine enorme Masse von Business-Zeitschriften, Beratern, Seminar-Anbietern und Herstellern von „Wissens“-Produkten und diverser „Bildungs“-Angebote dieses Fehldenken unablässig propagieren.

Doch es verhält sich eben deutlich anders. Würde das Gehirn nämlich tatsächlich auf simple Weise Informationen abspeichern, müsste man bei jedem zweiten Arztbesuch aufpassen, dass einem nicht per Computertomograph irgendwelche PINs und Kennwörter „aus dem Gehirn herausgelesen“ werden.

Durch das Guckloch des Maschinenraums

Im Klartext: Das Gehirn mit einem Computer gleichzusetzen, resultiert aus dem steinalten Denksystem des René Descartes, anno 1619: Der Mensch als simple Maschine.
In diesem hoffnungslos überholten Denksystem wird dann dem entsprechend mechanistisch gedacht, nämlich nach dem „Wenn->Dann“ des „Ursache-> Wirkung“-Prinzip: „Wird Schalter A betätigt, wird die Funktion B ausgelöst“.
Auf exact diese Weise betrachtet man dann eben auch die „Funktionsweise” des Gehirns: Datenspeicherung und -Abruf, je nach Bedarf, und „auf Reiz A erfolgt Reaktion B“, wie auf Knopfdruck.

Tatsächlich jedoch „arbeitet“ das Gehirn mit Gegen- und Wechselwirkungen: So hat eine einzige Nervenzelle Einfluss auf 10.000 andere Nervenzellen („Prinzip der Divergenz“), sowie entsprechend jede einzelne Nervenzelle von 10.000 anderen Nervenzellen beeinflusst werden kann („Prinzip der Konvergenz“).
Dazu kommt noch, dass das Gehirn niemals auf einen bestimmten „auslösenden Reiz“ reagiert, sondern immer mindestens vier Faktoren gleichzeitig an einer Reaktion beteiligt sind.
Also eine enorme Vernetzung, die jedes mechanistische „Ursache-> Wirkung“-Denken – und somit sämtliche darauf basierenden Erfolgsrezepte und käuflichen Angebote - ad absurdum führt.

Was jedoch passiert, ist der Griff in die beliebte Trickkiste der Wissenschaft, wie es seit den 1970er Jahren permanent praktiziert wird: Die tatsächlichen Erkenntnisse spielen überhaupt keine Rolle. Man greift sich lediglich ein paar Bruchstücke heraus, die sich prima verwenden lassen, um alten Wein in neue Flaschen abzufüllen.

Darunter fallen auch so merkwürdige Umdeutungen wie das „Neuro-Marketing“ und die „Neuro-Ökonomie“, die nicht von Neuro- und Gehirnforschern stammen, sondern von geschäftstüchtigen Marketing- und Wirtschaftsexperten, die die Gelegenheit wittern, ihre längst überholten Theorien damit nun als „hochmodern“ verkaufen zu können. Jedoch: Weder eine Postkutsche noch eine Dampflok werden dadurch „hochmodern“, dass man ihnen ein Satelliten-Navigationssystem einbaut.

Genauso werden sämtliche Techniken und Methoden durch die bloße Anreicherung mit (angeblichen) Erkenntnissen der Gehirnforschung um keinen Deut effektiver.
Und genauso verharren u.v.a. auch Strategie, Marketing und „die Wirtschaft“ gedanklich weiterhin im 17. Jahrhundert, so lange man das alles nur permanent mit immer neuen Mitteln, Maßnahmen und Methoden versucht zu reparieren und zu flickschustern, statt die grundlegenden Theorien an sich zu überarbeiten
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